Donnerstag, 2. August 2007

Gespräch mit der Sopranistin Simone Kermes

Händels „Saul“ gehört zu der Sorte Oratorium, bei denen sich der aufmerksame Zuhörer oft fragen kann, ob er nun wirklich in einem geistlich motivierten Konzert oder doch in der Oper sitzt. Auch die Sopranistin Simone Kermes, die am 12. August in Kloster Eberbach an der Aufführung mitwirkt, hat diesen besonderen Reiz für sich entdeckt. „Mich interessieren diese Oratorien besonders, die halbe Opern sind“, sagt sie. Und sie hat durchaus umfangreiche Erfahrungen gesammelt, so hat sie unter anderem gerade jenen „Saul“ zur Wieder-Eröffnung des Großen Hauses in Mainz mit aufgeführt. „Ich mag das opernhafte bei Händel besonders, mehr noch als die reinen Passionen etwa von Bach“, betont sie.

Allerdings ist sie überzeugt, dass nicht alle Oratorien auch für eine szenische Aufführung geeignet sind, wie es in der Vergangenheit an einigen Opernhäusern geschehen ist. „Das kommt immer auf das Stück an“, meint sie. „Manche gehen eben nicht, wie etwa die Matthäuspassion von Bach“, differenziert sie. „Man sollte genau auswählen, ob das passt“, warnt sie vor Übereifer. Auch das Schockieren um seiner selbst willen findet bei ihr keinen Zuspruch. „Es müssen nicht immer Nackte auf die Bühne geholt werden“, so ihre klare Meinung.

Von ihrem eigenen Beruf hat sie deutlich formulierte Vorstellungen. So fallen auch ihre Ratschläge für den Nachwuchs aus. „Man muss verrückt genug sein, um diesen Beruf auszuüben“, sagt sie. Neben großem Talent gehöre auch eine Portion Glück dazu. Wichtig sei es, Menschen hinter sich zu haben, die ehrlich sind. „Man muss seinen eigenen Weg gehen“, rät sie, weiß aber auch, dass das vor allem zu Beginn besonders schwer ist. „Gerade wenn man am Anfang steht, muss man selbstbewusst sein und wissen, was man will“, hat sie erfahren. Und damit meint sie auch die Auseinandersetzung mit Agenturen und Intendanten. „Es wird für junge Künstler immer schwieriger“, weiß die renommierte Sängerin. So habe sie es schon erlebt, dass Künstler am Beginn ihrer Karriere regelrecht eingeschüchtert werden und Angst haben, ihre Meinung zu sagen, wenn sie für etwas eingesetzt werden, bei dem sie kaputt gespielt werden.

„Heutzutage wird aus jedem ein Star gemacht, der oft nur Mittelmaß bringt“, merkt sie weiterhin kritisch an und fürchtet einen allmählichen „Ausverkauf der Kultur“. „Es geht ums Geschäft, das hat oft wenig mit Kunst zu tun“, bedauert sie. „Man muss als Sänger seinen eigenen Weg finden und etwas neues schaffen“, so ihr Idealbild. Selbst hat sie von einer Persönlichkeit wie Dietrich Fischer-Dieskau viel gelernt, ohne ihre kritische Distanz zu verlieren. „Das Publikum muss merken, dass man es ehrlich meint“, erwartet sie von sich und anderen. Eine Herangehensweise, die nach ihrer Beobachtung immer mehr in den Hintergrund rückt.

Der Erfolg gibt ihr Recht auf dem geradlinigen Weg. Für ihre erste Solo-CD mit Vivaldi-Motetten wurde sie mit dem Diapason d`Or und dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2007 ausgezeichnet. In Kürze werden CDs mit Vivaldi-Opernarien und mit Kantaten von Joseph Martin Kraus erscheinen, außerdem eine Produktion mit Purcells „Dido und Aeneas“, bei der sie die Rolle der Dido übernommen hat.

Aufführung von Händels „Saul“ am Sonntag, 12. August um 19 Uhr in der Basilika von Kloster Eberbach

Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt und Wiesbadener Kurier

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