Sonntag, 5. November 2006

Mozarts "Zauberflöte" in Mainz

Jürgen Bosse erzählt am Mainzer Staatstheater Mozarts „Zauberflöte“ als intergalaktische Abenteuerreise und schreckt vor Klamauk nicht zurück.

Plötzlich steht Prinz Tamino in einer fremden Welt. Er weiß nur noch, dass er mit einem Ungeheuer gekämpft hat und gerettet wurde. Die neue, etwas bizarre Welt bringt ihm die Bekanntschaft mit dem tölpelhaften, aber gutmütigen Papageno, der fortan sein Begleiter ist. So weit ist die Angelegenheit klar, die Inszenierung von Jürgen Bosse und die Bühne von Susanne Maier-Staufen lässt Erinnerungen an „Peterchens Mondfahrt“ und den „Kleinen Prinzen“ wach werden. Zumal sich die Protagonisten immer auf einer konvexen Oberfläche tummeln und ab und an ein Sternenvorhang fällt. Eine niedliche Zeichentrickatmosphäre macht sich spätestens dann breit, wenn die drei Knaben in einer Raumkapsel über die Bühne fliegen.

Tatsächlich müssen unsere Helden auf ihrer Abenteuerreise so eine Art Irrfahrt durchs Universum antreten, um dabei ihre Prüfungen zu bestehen. Die Idee ist irgendwie verlockend, meist gelingt die Umsetzung auch ohne grobe Schnitzer. Wäre dem Schauspielregisseur Bosse doch bloß nicht zwischendrin langweilig geworden. Irgendwie schien es ihm uninteressant, einfach nur Oper zu erzählen. So lässt er seinen Papageno im zweiten Akt plötzlich die Geschichte unterbrechen und eine alberne Groteske beginnen. Unvermittelt steht er im Publikum, faselt etwas von Württemberger Wein und der „Schwäb’sche Eisebahn“, kalauert bubenhaft herum und überschreitet im Zwiegespräch mit dem Publikum die Grenze zum Klamauk merklich. Spätestens als er zusammenhanglos mit Menschenknochen auf einem Sarg trommelt und mit einen Totenschädel jongliert, verkommt die Szene zur biederen Kopie einer wohlfeilen Provokation, die nur noch lächerlich wirkt.

Musikalisch kann sich das Staatstheater derzeit solche Eskapaden nicht leisten, wie ein Blick auf das Ensemble schnell erkennen lässt. Da ist ein durchaus solider und beständiger Alexander Spemann als Tamino zu erleben, der aber neben aller spielerischen Erfahrung einen mittlerweile bedenklich angeschlagenen Tenor führt. Hans-Otto Weiß fehlt für den Sarastro schlichtweg die Tiefe. Eigens für die „Königin der Nacht“ nach Mainz engagiert, verwirrt Ana Durlovski mit schwerem und kehligem mittleren Register, kann dafür mit unerwartet flüssigen und leichtfüßigen Koloraturen überraschen. Eine angenehme Ausnahme beschert Tatjana Charalgina in der Rolle der Pamina mit gelöstem, wandlungsfähigem Sopran und beweglichem Spiel. Auch Patrick Pobeschin ist als Papageno eine hervorragende Besetzung, der Neuzugang wertet das Ensemble mit seiner unverbrauchten, leistungsfähigen Stimme spürbar auf.

In den kleineren Rollen fallen Mareen Knoth als kokette Papagena sanglich pointiert und Martin Erhard als klar formulierender, für den Monostatos vielleicht etwas zu hell gefärbter Tenor auf. Auch Mark Bitter, Janni Kücher und Tilman König vom Mainzer Domchor bewältigen ihre anspruchsvollen Partien der Drei Knaben mit Bravour. Unter der Leitung von Thomas Dorsch ist das Philharmonische Staatsorchester an diesem Abend nicht mehr und nicht weniger als ein zuverlässiges Begleitorchester, dem Chor hätte mehr Aufmerksamkeit sicherlich gut gestanden.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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