Montag, 6. November 2006

Mädchenjazz mit Viktoria Tolstoy

Eies Tages waren sie da. Sie hatten sich die Gitarre umgeschnallt oder an den Flügel gesetzt und arbeiteten sich mit verträumten Akkorden und ebensolchem Blick durch die Clubs und Konzerthallen. Manchmal hatten sie auch ausschließlich ihre Stimme mitgebracht, dann ging das auch. Junge, mädchenhafte Frauen, die sich vorgenommen haben, ihren „eigenen Weg“ in der Musik zu gehen. Nicht bei einer Casting-Show Mitglied einer „Band“ zu werden, deren Halbwertszeit kaum mit den Veranstaltungsplänen seriöser Veranstalter überein zu bringen sind. Wer dann nicht den Chanson oder die Kleinkunst im Allgemeinen für sich entdeckt hat, dem kam noch die große Welt der jazzverwandten Musik entgegen. Denn hier gab es bis vor kurzem eine Nische, die nun besetzt ist und laufend Zuwachs erhält.

Viktoria Tolstoy gehört zu diesen Nischen-Spezialistinnen. Die 32-jährige Schwedin, die, bewusst oder unbewusst, nicht zuletzt wegen ihres wallenden blonden Haupthaares auf den ersten Blick schon für die lange verschollen geglaubte dritte Abba-Sängerin gehalten werden könnte, stellte nun im Frankfurter Hof ihr zweites Album vor. Nach „My swedish heart“ von 2005 hat sie binnen Jahresfrist nachgelegt. „Pictures of me“ heißt es und ist ein eingängiges Stück Scheibe geworden, dem man auf längeren Bahnfahrten beruhigt lauschen kann, sie macht schlichtweg Spaß, ohne anzuecken. Mit Paul Simons „Have a good time“, gibt sie das Motto treffend vor.

Was aus der Konserve so einen schönen Hintergrund beschert, wirkt auf der Bühne etwas beschaulich. Frau Tolstoy ist auf freundliche Melodien abonniert, die sie mit sauberer Stimme, fernab verruchter Jazzattitüde vorträgt. Glockenhell intoniert sie ohne jeden Fehltritt, ihre Präsenz wird von betonter Akkuratesse geprägt. „Te Amo Corazón“, das sie von Prince ausgeliehen hat, wickelt sie sanft abgehangen ab, als behutsam-kitschige Ballade legt sie die ihr von Lars Danielssohn geschriebenen „Women of Santiago“ an.

Alles ist bis ins kleinste Detail auf den sicheren Effekt abgestimmt, der ihr auch immer wieder glückt. Schwachstellen hat ihre Stimme keine, aber gerade das lässt sie ein wenig beliebig wirken und dann doch an die Casting-Show denken. Denn dieses in ihrem Milieu so häufig bemühte „Eigene“, lässt sich nicht finden. Leider kann sie keine eigenen Geschichten erzählen, ein wesentlicher Bestandteil, der ansonsten den Reiz eines jeden nachhaltig wirkenden Künstlers ausmacht. Das Publikum im Frankfurter Hof hatte dennoch eine gute Zeit und niemand will ihm das verübeln.

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