Montag, 6. November 2006

Acht Bratschen können auch Musik

Am besten manövriert man sich aus der Schusslinie des Spotts, wenn man selbst ganz offensiv Witze über die eigene Spezies reißt. Genau so finden sich Malte Schaefer und seine sieben Leidensgenossen im Philharmonischen Staatsorchester Mainz mit ihrem Schicksal ab. Denn sie sind Bratscher. Opfer zahlreicher Bratscher-Witze, die alle Mantafahrer- und Ostfriesen-Kalauer überdauert haben, auf dass diese Berufsgruppe für immer gedemütigt sei. Dass es ihr dabei weder an Selbstbewusstsein noch an hervorragendem Nachwuchs fehlt, bewies die Bratschengruppe nun beim ersten Kammerkonzert dieser Spielzeit im Kleinen Haus.

Für dieses Konzerte hatten sie sich über Originalliteratur und originelle Bearbeitungen hergemacht. Denn tatsächlich kennt die Musikgeschichte das eine oder andere Werk für Bratschenensemble. Und was fehlt, wird einfach komponiert. So stand am Ende des Programms eine Uraufführung aus der Feder des Mainzer Chordirektors Sebastian Hernandz-Laverny.

Eröffnet wurde das Konzert, wie es sich im Theater gehört, mit einer Ouvertüre. Der, zu Gioacchino Rossinis „Barbier von Sevilla“. Die Bearbeitung von Oliver Tepe legte den Schluss nahe, dass man dafür nicht mehr als acht Bratschen braucht und der Zuhörer wunderte sich bald, wozu Rossini sich eigentlich den Aufwand mit dem großen Orchester gemacht hatte. Allerdings ließ sich hier anfangs erkennen, dass so mancher Viola-Vertreter noch dabei war, den Komfort der Tutti-Anonymität abzuschütteln. Sowohl in Intonation als auch beim Zusammenspiel musste dem Ensemble eine gewissen Orientierungsphase auf der Bühne zugestanden werden.

Doch gerade in den kleinen Besetzungen war Erstaunliches zu hören. So gelang eine Cassatio für fünf Violen des Haydn- und Mozart-Schülers Anton Wranitzky spritzig und akkurat, der Komponist nutzte dabei die weiche Klangfarbe des Instruments geschickt aus, die Interpreten nahmen die Vorlage dankbar für effektvolle Wendungen auf. Luftig-verspielt kam das vierstimmige „Nachtstück“ von Max Ritter von Weinzierl daher.

Nach einem unterhaltsamen Block, der unter anderem ein flottes Jazz-Tune von Ian Gammie in Anlehnung an den Standard „Lullaby of Birdland“ und Bernsteins „Somewhere“ aus der „Westside Story“ enthielt, bereitete sich das Oktett auf das Finale vor. Eine fantastische rhythmische Zugkraft entwickelten die Musiker bereits in einer Bratschen-Fassung von Astor Piazzollas „Libertango“. Schließlich stand die Uraufführung der „Introduktion, Cantabile& phantastische Fuge“ von Hernandez-Laverny an. Das Stück entpuppte sich als ein geschicktes Spiel mit der Vielstimmigkeit gleicher Instrumente, das mal in breiten elegischen Ausführungen, mal durch sanft drängenden Jazzmomenten seinen Ausdruck fand. Vor allem die komplizierte achtstimmige Fuge am Schluss forderte die Disziplin der Spieler deutlich heraus. Auf jeden Fall ist an diesem Abend ein ungewöhnliches Experiment gelungen und wartet nun auf die Fortsetzung.

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