Montag, 6. April 2009

Matthias Fontheim bringt Alban Bergs Oper „Wozzeck“ in einer bewegenden Interpretation auf die Bühne des Mainzer Staatstheaters

Dieses seltsame Dramenfragment von Georg Büchner war mal Oberstufen-Pflichtlektüre. Woyzeck, ein heruntergekommener Soldat mit unehelichem Sohn versucht verzweifelt, seine Ehre und seine Männlichkeit zu beweisen, oder wieder herzustellen. Um sein Leben kämpft er ebenso verzweifelt wie aussichtslos.

Am Mainzer Staatstheater gelang nun eine sehr bewegende Interpretation der fast gleichnamigen Oper von Alban Berg in der Regie von Intendant Matthias Fontheim und unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt. Zuvor hatte Fontheim Wozzecks Scheitern als das „sehr heutige Schicksal eines normalen Menschen, der stark unter Druck gerät“, bezeichnet. Er sieht in ihm den „Normalo“, der in der Welt nicht zuletzt aufgrund seiner „sozial prekären Situation“ nicht mehr zurecht kommt und immer weiter in den Strudel gerät, der ihn am Ende vernichtet.

Er hat die Handlung in ein Schlachthaus verlegt, in dem sich die bizarren Gestalten ihrer unsinnigen Dialoge und Taten hingeben. Keiner der Figuren gelingt es dabei, in eine wirklichen Interaktion mit einer anderen einzutreten. Trotz ihrer Vereinzelung müssen sie doch in einer Gesellschaft existieren. Wer oben ist, kann dort durch Feigheit oder Hochmut bleiben, was man am Doktor oder dem Hauptmann erkennt, die Wozzeck für ihre absurden Wortschwälle oder Experimente missbrauchen dürfen. Marie hingegen, die hier mit groben Strichen als vollkommen überforderte Unterschicht-Mutti dargestellt wird, kann nur unrealistischen Sehnsüchten nachhängen und in ihrer Liaison mit dem Tambourmajor von einem Glück hoffen, dass in der Konstellation von vorne herein nicht angelegt ist.

Fontheim gelingen eindrucksvolle Bilder menschlichen Scheiterns. Seine Hinführung zu Wozzecks Mord an Marie ist ebenso schlüssig wie dessen Freitod im Wasser. Dazu kommen einige pointiert eingesetzte Ideen, die sich zu einem nachvollziehbaren Werk zusammen fügen. Bis hin zu der bitteren Erkenntnis, dass auch der Sohn der Beiden keinen anderen Weg vor sich hat.

Mit Dietrich Greve steht ein enorm glaubwürdiger Wozzeck zur Verfügung, der auch der stimmlichen Herausforderung gewachsen ist. Abbie Furmansky überzeugt in der Rolle der Marie ebenfalls, stellt sie doch zwischen der halb erkannten Hoffnungslosigkeit und dem Restfunken an Illusion an ein besseres Dasein auf authentische Weise den früh gebrochenen Menschen dar. Aus dem Orchestergraben tönen indes gewollte Missstimmungen zu fast jeder Zeit. Zupackend und ohne Kompromisse beteiligt sich der schlagfertige Klangkörper an dem Dilemma.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse
Foto: Staatstheater Mainz

Keine Kommentare: