Donnerstag, 1. Mai 2008

Bei einem Doppelabend beschäftigen sich die Schwetzinger Festspiele zur Eröffnung mit dem Niobe-Stoff

Zwei Mal wurde das Publikum mit dem Stoff der sich göttlich wähnenden Niobe konfrontiert. Zunächst enorm zeitgenössisch und am Rande der Verständlichkeit. Dafür war der Spuk nach einer halben Stunde wieder vorbei. Gerade so lange dauerte Adriana Hölskys A-Capella Drama für Stimmen. Die Auftragskomposition für die Schwetzinger Festspiele konnte als Vorspiel für das spätere Barock-Opus hingenommen werden, außer der inhaltlichen Vorlage dürfte es kaum Berührungen gegeben haben.


„Hybris / Niobe“ ist der komplette Titel nach einem Libretto von Yona Kim, die sich bei Ovid, Shakespeare, der Bibel und einer Textcollage aus „Die Landplagen“ von Jakob M.R. Lenz bedient hatte. Aus dem Textwust hat die Komponistin nur einen Teil vertont, den aber in einer beeindruckenden Weise in einer seltsamen Gleichzeitigkeit der Geschehnisse. Wirkliche Dialoge finden nicht statt, weil alle kreuz und quer übereinander singen. Das Personal der Handlung ist auf sechs Solisten aufgeteilt, ihnen wird ein Chor aus dem SWR Vokalensemble Stuttgart zur Seite gestellt, der als Geräuschkulisse ordentlich Lärm veranstaltet. Man kann diese Form des Musikdramas vielleicht noch als eine Rückbesinnung auf die alte Form des Madrigals verstehen, Verständlichkeit wird aber nicht mehr als Kriterium angesehen. Unterhaltsam ist das dennoch, nicht mehr und nicht weniger. Die Sängerinnen und Sänger unter Leitung von Dennis Comtet haben sich jedenfalls mit beachtlichem Engagement ins Zeug gelegt.


Den Löwenanteil in Sachen Länge nahm Agostino Steffanis Oper „Niobe, regina di Tebe“ in Anspruch. Historische Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer wurden mitunter durch moderne Bühnen- und Lichtelemente von Raimund Bauer kontrastiert, was dem barocken Drama eine gewisse Geschwindigkeit der Erzählung unterschob. Regisseur Lukas Hemleb hat den Zusammenprall zwischen menschlicher Unfertigkeit und göttlichem Anspruch vor dieser Folie durchaus nachvollziehbar eingerichtet. Niobe wurde von Maria Bentsson mit strahlendem, lupenreinem, sehr sinnlichem Sopran gegeben, für eindringliche Arien sorgte Jacek Laszczkowski als Anfino. Pfiffig Delphine Galou als Kindermädchen Nerea, sehr voll und manchmal etwas düster Tobias Scharfenberger als blinder Seher Tiresia. Mit Fleiß und Engagement steckte das Balthasar-Neumann-Ensemble unter Thomas Hengelbrock einen soliden Rahmen an.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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