Montag, 29. Januar 2007

Händel-Oper "Julius Caesar" am Wiesbadener Staatstheater

Krachend bricht ein riesiger Obelisk durch die glatte Theaterfassade und poltert zu Boden. Der Schock sitzt, mancher Zuschauer glaubt schon an einen Unfall – zumal auch die Bühne plötzlich menschenleer ist. Doch die Oper geht weiter, das Orchester lässt sich nicht beirren. Vorher haben sich Cleopatra und ihr Bruder Ptolomaeus zum Vorspiel um einen Stuhl gebalgt. Keiner mag dem anderen den Thron gönnen, den sie sich eigentlich teilen müsste. Markus Bothes Inszenierung von Händels Oper „Julius Caesar“ setzt nur selten auf solche plakativen Momente, das Publikum im Wiesbadener Staatstheater bekommt hier vor allem eine handwerklich wie künstlerisch bestens durchdachte und vorbereitete Premiere geboten. Im Mittelpunkt steht eine kluge Personenführung, die jede Bewegung zwingend notwendig erscheinen lässt. Nie bekommt der Zuschauer das Gefühl, mit überflüssigen Handlungen konfrontiert zu werden, die nur der Überbrückung von Musik dienen. Dem Ensemble gelingt es von der ersten Minute an, Glaubwürdigkeit zum zentralen Anliegen seines Handelns zu machen.

Händel erzählt auf Grundlage eines Librettos von Nicola Francesco Haym die Vielschichtigkeit menschlichen Handelns zwischen unbedingtem Machtanspruch, Gier, Rache und naiver Liebe. Als Beispiel hat er dafür Caesar, Cleopatra und deren Bruder Ptolomaeus heran gezogen. Das Geschwisterpaar streitet um Ägyptens Thron. Ptolomaeus will Caesars Gunst und Unterstützung gewinnen, indem er ihm den Kopfs seines einstigen Gefährten Pompeius überbringen lässt, den Caesar verfolgt. Gerade hat aber dessen Gattin Cornelia Gnade erwirkt, dementsprechend entsetzt ist Caesar über die Wendung. Ihr Sohn Sextus schwört Rache, Mutter und Tochter geraten zunächst in Ptolomaeus’ Gewalt. Zwischenzeitlich hat sich Cleopatra im Gewand einer Dienerin dem Kaiser genähert, der sich prompt in sie verliebt. Aber alles wird gut: Ptolomaeus wird besiegt, Cleopatra unterwirft sich als tributpflichtige Königin und Geliebte dem römischen Kaiser.

Zwischen den hohen Bühnenwänden von Manfred Dittrich und in den dezent historisch gehaltenen Kostümen von Dorothea Katzer konzentrieren sich die Sänger auf unmittelbar transportierte Emotionen. Darin liegt auch die Stärke dieser Produktion. Eine weitere besteht in der stimmlichen Präsenz ihrer Protagonisten. Sharon Kempton überzeugt in der Rolle der Cleopatra restlos. Alles an ihrer Interpretation sprüht nur so vor gezielt eingesetzter Energie. Stimmlich ist sie mühelos jeder Anforderung wagemutiger Koloraturen gewachsen. Dabei stellt sie sich den jeweiligen Stimmungswandlungen von der machtbewussten Herrscherin bis hin zur bedingungslos Liebenden. Ute Döring gelingt ein standhaft wirkender Caesar, Andreas Taubert lässt als Ptolomaeus auch Einblicke in einen unsicheren Charakter zu. Einen der sanglichen Höhepunkte steuern Sandra Firrincieli (Cornelius) und Betsy Horne (Sextus) mit ihrem anrührenden Abschiedsduo bei. Unter der Leitung von Cornelius Heine ist das barock instrumentierte Orchester des Wiesbadener Staatstheaters ein zugkräftiger Impulsgeber.

Karten: 0611- 13 23 25
Weitere Aufführungen: 1., 13., 21. Februar, 12., 18., 24., 29. März

Veröffentlicht unter anderem in der Frankfurter Neuen Presse und im Main-Echo (Aschaffenburg)

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