Sonntag, 16. April 2006

Markus-Passion von CPE Bach uraufgeführt

Wie viele andere Kirchenmusiker seiner Zeit auch, hatte Carl Philipp Emanuel Bach die Aufgabe, in jedem Jahr eine Passion aufzuführen. In der Regel bestanden solche „Kompositionen“ dann aus der Zusammenstellung bereits bekannter Teile und einiger neuer Sätze, die der Komponist entweder für diesen Zweck geschrieben, oder aus einem anderen seiner Werke entnommen und entsprechend bearbeitet hatte. Auf diese Art waren viele solcher Aufführungen einmalig. Lediglich einzelne Sätze wurden bisweilen anderweitig genutzt. Ähnlich erging es auch der Markus-Passion von 1786, der letzten aus der Feder von Carl Philipp Emanuel – zwei Jahre später starb der zweite Sohn Johann Sebastians im für damalige Verhältnisse hohen Alter von 74 Jahren.

Die EuropaChorAkademie unter Leitung von Joshard Daus hat diese Fassung nun in der Berliner Philharmonie und der Pauluskirche Bad Kreuznach wieder aufgeführt. Die Noten stammen aus dem Archiv der Sing-Akademie zu Berlin, der Daus bis Ende vergangenen Jahres vorstand. In diesem Haus gehört es zur guten Tradition, in Vergessenheit geratene Werke der Bach-Familie wieder ans Tageslicht zu befördern, so hat Felix Mendelssohn-Bartholdy hier mit der Wiederaufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion für eine Renaissance des Thomas-Kantors gesorgt.

Diese beiden Ereignisse musikhistorisch auf eine Stufe zu stellen, wäre allerdings deutlich zu hoch gegriffen. Allerdings ist diese Markus-Passion auch dank ihrer knappen Ausführung ein durchaus spannendes Stück Musik. Zumal der Chor in relativ kleiner Besetzung ausgesprochen sensibel mit seinem Part umging. Ungemein homogen aufgestellte Stimmgruppen mit astreine Deklamation sorgten für eine aufregende Wiedergabe. Sanfte, nachdrücklich verfolgte Phrasierungen etwa im Chor „Dich bet ich an, Herr Jesu Christ“ ließen die unterschiedlichen Charaktere der Passion immer wieder lebendig werden. Schon im Eingangschor wiesen die Sängerinnen und Sänger ihr enormes Potenzial nach. In beständigem, sich nur in Nuancen veränderndem Piano erzeugten sie eine undurchdringliche klangliche Dichte, die schon fast etwas unwirklich schien.

Zum ersten Mal ließ sich der Chor von der kürzlich gegründeten Mendelssohn-Symphonia begleiten. Im Kern sind das die Streicher des Südwestdeutschen Kammerorchesters, aufgestockt durch weitere Profi-Musiker und Studierende. Das neue Ensemble fiel gleich durch kultivierten Ton und aufmerksame Musizierfreude auf, die gut zu dem schlanken Chorklang passte. Die Sopranistin Claudia Barainsky präsentierte sich mit angenehmer deklamatorischer Schwere, Maria Soulis (Mezzosopran) gestaltete ihren Part warm und unprätentiös, während Thomas Dewald (Tenor) die Rolle des Evangelisten gehaltvoll erzählend und mit atmender Stringenz anlegte. Daniel Sans (Tenor), Ulf Bästlein (Bassbariton) und Bart Driessen (Bass) ergänzten das Solisten-Ensemble souverän und mit markanter Beteiligung.

Originalbeitrag für den Blog

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