Dienstag, 18. April 2006

Barock-Oper "Croesus" von Reinhard Keiser in Wiesbaden

Vier Jahrzehnte lang war Reinhard Keiser einer der führenden Musiktheater-Komponisten in deutschen Landen. Allein für die Hamburger Oper am Gänsemarkt, die Anfang des 18. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte, schrieb er 60 Werke. Mit einem der ersten und größten bürgerlichen Opernhäuser ging aber auch der Name Reinhard Keiser unter. Bundesweit steht in dieser Spielzeit ein einziges seiner Werke auf dem Spielplan: am Wiesbadener Staatstheater feierte jetzt „Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus“ Premiere.

Die an den antiken Berichten Herodots angelehnten Handlung (Libretto von Lukas von Bostel) trägt zwar den Widerstreit von irdischem Machtstreben und Sinnsuche in sich, ist aber auch ein unterhaltsames Verwirrspiel mehr oder minder unglücklich Liebender. Über allem prangt die Warnung des Philosophen Solon vor allzu großem königlichem Übermut: „Keiner ist vor seinem Tode glücklich zu preisen.“

Und tatsächlich: nachdem das Reich des bis dato mächtigen Königs Croesus von den Persern erobert wurde, streiten die Fürsten Orsanes und Eliates um den Thron. Während Eliates vom König als Statthalter bestimmt wurde, versucht Orsanes mit einer Intrige an die Macht zu kommen. Croesus’ stummer Sohn Atis, der durch einen Schock aber wieder zu Stimme gekommen ist, soll ihm dabei behilflich sein. Der wiederum bleibt loyal und will sich anstatt des gefangenen Vaters für sein Land opfern. Dieser erinnert sich in diesem Moment an die Warnungen Solons und wird ob seiner Erkenntnis wieder frei gelassen. Eingeflochten sind noch einige Liebes-Szenen zwischen Atis und Prinzessin Elmira.

Die Inszenierung von Jakob Peters-Messer verfrachtet die Handlung in eine überdimensionale Blumenwiese (Bühne: Markus Meyer), in der die Akteure zunächst als kindliche Figuren in bonbonfarbenen Sonntagskleidchen (Kostüme: Sven Bindseil) auftreten. Sie spielen mit Puppen und Kriegsspielzeug, necken sich gegenseitig in naivem Übermut und scheinen sich ihrer Lage nur halb bewusst. Erst als das Reich vom mondänen Perserkönig Cyrus und seinen schwarzen Horden überfallen wird, werden sie erwachsen. Die scharfen farbigen Kontraste tragen die Stimmung über die gesamte Spielzeit hindurch.

Auch musikalisch bleibt die Wiesbadener Produktion dank dem ausgezeichnet aufgelegten Orchester unter Leitung von Barock-Spezialist Sébastien Rouland stets lebendig. Sharon Kempton (Elmira) begeistert mit eleganten Koloraturen und auch spielerisch, in der Rolle des Atis ist Jud Perry wandlungsfähig und stimmlich fundiert zu erleben. Christoph Stephinger kann in der Doppelrolle als Solon und Cyrus kraftvoll und kernig überzeugen.

Auf der Wiese tummelt sich zudem vom Ameisenheer bis hin zu plüschigen Feldhasen allerlei Getier, das von Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Hessischen Theaterakademie gestellt wird und bei den Zwischenmusiken die Bühne füllt.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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