Montag, 14. September 2009

Charme und Tempo bestimmen die Eröffnung der Spielzeit am Staatstheater Mainz bei Peer Boysens Inszenierung der Oper „Carmen“

Wenn die Augen im Schein der Fackeln glänzen und die Gänsehaut rauf und runter läuft, kann man sich sicher sein, dass die Inszenierung ein Publikumserfolg wird. So ergeht es nun George Bizets Dauerbrenner „Carmen“, bei der Peer Boysen am Staatstheater Mainz Regie führt. Er hat dafür kein opulentes Bühnenbild gezaubert, sondern lässt den Zuschauer ungehindert in den Schnürboden blicken, aus dem herab die umschwärmte Carmen stolziert. Durchaus eine industriell geprägte Atmosphäre, die etwas kalt und starr wirkt, ähnlich wie die Aufstellung der Chöre mitunter recht unterkühlt scheint. Seltsam unbeteiligt breiten sie sich zunächst auf der Bühne aus, bleiben bei ihrer Auseinandersetzung um Carmens kleine Schlägerei letzten Endes doch uninteressiert.

Doch das kratzt wenig an der Faszination dieser Oper, die auch in Mainz mit großer Leidenschaft und mit einem gewissen Schuss Pathos auf der einen Seite und mit charmanter, gewiss tragisch endender Leichtigkeit auf der anderen Seite über die Bühne geht. Boysen, der bereits zum vierten Mal in Mainz arbeitet, bezeichnet die Oper gleichermaßen als „großes spanisches Menschendrama“ und „französische Unterhaltung“. Zwischen dem Schweren und dem Leichten liege die Spannung, sagt er vor der Premiere. Opernhafte Schwere wird dem liebesleidenden Sergeanten Don José zum Verhängnis, während die flotte Carmen sich in koketten Plänkeleien übt.

Genau diese Kontraste gelingen Peer Boysen mit Hilfe eines pointiert agierenden Ensembles und einem bestens eingestimmten Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt scheinbar mühelos. Michael Wade Lee singt den Don José mit sehr viel Kraft aber ohne Gewalt und gibt sehr gut nachvollziehbar den armen Tölpel, der zu stark schon vom Zauber seiner vermeintlichen Liebe zu der verführerischen Fabrikarbeiterin eingenommen ist, um noch Rückgrat beweisen zu können.

Besonders herausragend ist die Leistung von Tara Venditti, die eine enorm sinnliche und oft verruchte Carmen abgibt. Auch ihre Stimme stellt eine einzige Verführung dar, die sie mit gekonnter Finesse und Geschmeidigkeit einsetzt. Sie ist sich in der Rolle ihrer geradezu magischen Kräfte bewusst, mit denen sie Männer, insbesondere den einen, über die Grenze seiner Willenskraft hinaus ihre Pläne aufzwingen kann. Dietrich Greve gibt einen testosterongestopften Stierkämpfer ab, gegen den Don José geradezu jämmerlich wirken muss. Susanne Gebs Micaela gerät weich und angenehm. Originelle Show-Effekte wie die originale Flamenco-Gruppe oder die Varieté-Einlage der Schmuggler ergänzen eine griffige Inszenierung mit Charme und Tempo, sorgen dafür, dass die Schwere nicht die Überhand behält.

Tickets unter 2851222 oder www.staatstheater-mainz.de
Weitere Aufführungen am 20. und 25 September sowie bis April 2010

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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