Mittwoch, 3. Dezember 2008

Der Bariton Simon Keenlyside und der Pianist Malcolm Martineau gestalten in der Oper Frankfurt einen dicht vermittelten Liederabend.

Simon Keenlyside lässt sich Zeit. So heißt es, dass er stets mindestens eine Woche Zeit verstreichen lässt, um sich vom Liederabend auf eine Opernrolle (und umgekehrt) einzustellen. Die Verantwortung gegenüber der eigenen Stimme macht sich sicherlich bezahlt und auch das Publikum will den innerlich verarbeiteten Unterschied zwischen Oper und Lied deutlich gemacht bekommen. Gerade von einem Künstler, der mit beiden Genres einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Der britische Bariton durchlief die Chorschule des St. John's College Cambridge, ein Internat mit strengen Regeln. Die in diesen Jahren vielleicht einverleibte Ernsthaftigkeit glaubt man, in seiner Liedinterpretation heraus zu hören. Er zerlegt die Mörike-Lieder von Hugo Wolf ähnlich genau wie die Auswahl an Schubert-Liedern, dennoch alle irgendwie anders und individuell. Die „Dichterliebe“ von Robert Schumann nach Heinrich Heines Text aber hinterlässt als geschlossener Zyklus besonderen Eindruck, wird von ihm als lebendige Einheit vermittelt. Der Sänger findet den besonders intimen Ton ebenso die tapfer verborgene Verzweiflung, die sich immer wieder Bahn brechen will. Oft auf wenige Zeilen reduziert schlägt er gemeinsam mit dem renommierten Liedbegleiter Malcolm Martineau vollendete Bögen. Zwischenzeitig lässt das Duo die Stimmung für einen kurzen Moment aufklaren, ein andermal blitzt ein sarkastischer Frohsinn durch. Beide Musiker sind wie geschaffen für die größtmögliche Verdichtung überbordender Emotionen, ohne jemals zu übertreiben und unglaubhaft zu wirken Martineau tritt zudem ungemein fein und weich in den Dialog ein und ordnet sich trotz manch verhalten wirkender Klänge niemals unter.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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