Montag, 22. Dezember 2008

Wiesbadener Knabenchor mit Bach und Jazz

Was Roman Twardy in den vergangenen sieben Jahren geleistet hat, ist schon enorm. Als der den Wiesbadener Knabenchor nach einer Phase mehrerer Chorleiterwechsel und unsicherer Finanzierungslage übernommen hatte, wagten wohl nur die Optimisten eine Prognose, die dem heutigen Ist-Zustand nahe kommt. Nach und nach ist es dem Musiker und Pädagogen gelungen, durch intensive Nachwuchsarbeit und einer Mischung aus künstlerischer Förderung und Forderung den Chor zu immer größeren Aufgaben zu führen. Dazu gehört auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung, das den Sängern abverlangt wird. Zum Ende dieses Jahres konnte der Wiesbadener Knabenchor nun ein beachtliches Vorweihnachts-Konzert in der evangelischen Kirche Schlangenbad und der Wiesbadener Ringkirche absolvieren, in dem Tradition und Aufbruch geradezu symbolisch auf dem Programm standen.

Mit „Jesu, meine Freude“, der bekannten fünfstimmigen Motette von Johann Sebastian Bach wurde das Feld der seit Jahrhunderten überlieferten Tradition bestellt. Schon hier zeichnete sich der Chor durch sehr klaren und sauberen Klang aus. Aufmerksam reagierten die Sänger auf Twardys mitunter sehr detaillierten Angaben. Sicher in den Harmonien konnte der Chor insbesondere die Struktur der Choräle akkurat durchleuchten und transparent vermitteln. Etwas wackelige Stellen, die es auch zu umschiffen galt, konnten das Gesamtbild nicht wesentlich trüben. Zeigte die erfolgreiche Bewältigung solcher Hürden doch auch, mit welcher Konsequenz und welchem musikalischem Spürsinn die jungen Sänger hier ans Werk gehen.

Neue Wege ging der Wiesbadener Knabenchor mit Christoph Schönherrs „Magnificat – The groovy version of OX“. Der Untertitel spielt auf den Entstehungsort, die Landesakademie Ochsenhausen an, die für zahlreiche Chöre eine Heimstätte für die intensive Auseinandersetzung mit der Musik darstellt. Twardy hat damit ein Werk ins Programm aufgenommen, das zwar im Gestus populär und unterhaltsam daher kommt, im Detail die Sänger aber durchaus fordert. Auf das Ergebnis können die Akteure stolz sein. Effektvolle Unisono-Passagen wurden von vollen Harmonien abgelöst, dazu fügten sich die Soli der Jazz-Sängerin Nanny Byl, die ihre warme und gehaltvolle Stimme bestens zur Geltung brachte, ideal ein.

Das Werk ist mit Blick auf die Befreiungstheologie in Lateinamerika geschrieben worden und weist dementsprechend mitreißende Rhythmen auf. Gekonnt sang sich der Wiesbadener Knabenchor von der Samba über abgehangenen Swing bis hin zum Gospel durch die Stile. Durch die Reihen hinweg war ansteckende Gestaltungsfreude erkennbar. Das „Glob'Arte-Ensemble sorgte für den notwendigen Schwung und bot sich als feinfühliger wie treibender Begleiter der Sänger an. Somit zeigte sich der Wiesbadener Knabenchor gut gerüstet für die vielen Veranstaltungen, die vor allem im übernächsten Jahr auf ihn zukommen. Dann wird der Chor 50.


Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt
Foto: http://www.wiesbadener-knabenchor.de/images/Wiesbadener-Knabenchor_2007_klein.jpg

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