Freitag, 12. Dezember 2008

Tan Dun ist ein Komponist, dessen Musik mehr Menschen kennen, als es ahnen. Der gebürtige Chinese, der seit 1986 in den USA lebt, hat viele erfolgreiche Filme mit Musik versehen. Darunter „Tiger & Dragon“, wofür er auch einen Oscar erhalten hat. In seiner Musik spiegeln sich Traditionen wider, die sich respektvoll vor einander verbeugen, aber keine bis zur Selbstaufgabe getriebene Symbiose eingehen. Im Gegenteil: Die Kontraste zwischen Alt und Neu, Ost und West und sicherlich noch vielem mehr, das der Hörer nur ahnen kann, sind Teil der raffinierten Inszenierung dieses außergewöhnlichen Klangschöpfers.

Dass er gerne hinter die Horizonte blickt, bewies er unter anderem, als er im Oktober vergangenen Jahres mit dem London Symphony Orchestra eine eigens für die Internet-Plattform YouTube komponiert Symphonie uraufführte. Das HR-Sinfonieorchester konnte nun in der Alten Oper den hohen Ansprüchen des enorm intensiv arbeitenden Komponisten, der seine Werke selbst dirigierte, mehr als bloß genügen. Im „Water Concerto“, das er in Erinnerung an den von ihm verehrten Künstler Toru Takemitsu geschrieben hat, entführte David Cossin die Zuhörer in die Klangwelt des Wassers, die entsteht, wenn es in halbkugeligen Becken bewegt wird. Wenn klares Wasser auf komplexe Klangstrukturen trifft, kommt zumindest in diesem Fall ein spannender Dialog heraus.

In „The Map“ begegneten sich die Traditionen allein schon optisch durch die Einspielung von Videos mit traditioneller Musik und den Einsatz des Solo-Cellisten Anssi Karttunen. Was chinesisch und was westlichen Ursprungs ist, ließ sich hier klar heraus filtern. Durch dieses Nebeneinander, das nie kontrovers eingesetzt wurde, entstanden ungeahnte musikalische Zusammenhänge, die dem Hörer unmittelbar zugänglich wurden und sich nicht hinter analytischem Überbau verbargen.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse und im Wiesbadener Kurier
Foto: http://www.tandunonline.com/files/press_drainwater_s.jpg

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