Donnerstag, 8. Dezember 2005

"Saint Nicolas" von Benjamin Britten im Stadttheater Heidelberg

Klar, am 6. Dezember kommt der Nikolaus. Das wissen vor allem die Kinder, denn dann werden die Stiefel gefüllt. Was aber immer mehr in den Hintergrund rückt, ist die Geschichte, die dieser Brauch in der Vorweihnachtszeit hat. Kunststück - immerhin ist der Heilige Nikolaus, so wie er in Europa etwa seit dem achten Jahrhundert verehrt wird, auch eine Kunstfigur aus zwei historisch belegten Personen: dem Bischof Nikolaus von Myra im kleinasiatischen Lykien, der wahrscheinlich im 4. Jahrhundert gelebt hat, und dem Abt von Sion, der Bischof von Pinora war und 564 in Lykien starb.

Benjamin Britten sammelte sich für die einaktige Kirchenoper „St. Nicolas“ das beste von beiden zusammen und setzte den Stoff musikalisch sehr volksnah um. So wird auch die Gemeinde zwei mal zum Singen der Choräle mit eingebunden. In Deutschland hört man diese Kantaten allerdings so gut wie gar nicht. Das Heidelberger Stadttheater hat nun damit begonnen, alle fünf Britten-Werke dieser Art in verschiedenen Kirchen der Stadt aufzuführen. Für „Saint Nicolas“ war die Friedenskirche im Stadtteil Handschuhsheim ausgewählt worden, deren Kantorei und Kinderchor (Leitung: Michael Braatz) auch gleich mit in die halbszenische Einrichung von Solvejg Franke integriert wurde.

Neben den beiden Chören und einem kleinen Ensemble des Theaterorchesters hatte Tenor Winfrid Mikus die Hauptlast des Abends zu tragen. Als einziger Solist und meist im Mittelpunkt des Geschehens gönnt ihm das Werk keinen Moment Pause. Dennoch gelang es ihm, die zahlreichen Stationen des Heiligen in ihren unterschiedlichen Farben plastisch darzustellen. Mit wandelbarer Stimme konnte er sich dabei stilsicher und musikalisch überlegt präsentieren.

Besondere Leistungen hatten die Chöre zu vollbringen, die – ungewohnt für eine Kantorei – oft genug auch in die Handlung mit eingebunden wurden. Dabei stellten sich die Sängerinnen und Sänger auch als ausgesprochen lebhafte Darsteller heraus, deren szenische Aktivitäten nie auf Kosten des Gesangs gingen. Dazu kam ein Instrumentalensemble, das unter der Leitung von Noam Zur eine solide Grundlage bot und zwischen lautmalerischem Gerumpel und fein gezeichneter Linienführung wesentlich zum atmosphärischen Gelingen des Abends beitrug.

Dass es Solvejg Franke mit ihrem Bühnenbildner Klaus Teepe und Frank Bloching (Kostüme), vor allem aber auch einer ideenreichen Technik-Abteilung gelungen ist, den Kirchenraum effektvoll zu einem nichtsakralen Handlungsort umzufunktionieren, ohne ihm dabei Gewalt anzutun, sollte dem Theater ebenso Mut zur Fortsetzung seiner Britten-Pläne machen wie der stürmische Applaus zur Premiere.

Nur eine weitere Aufführung am Samstag, 10.12. um 20 Uhr.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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