Montag, 12. Dezember 2005

Der Pianist Denys Proshayev in Mainz

Eigentlich sollte es sich doch herumgesprochen haben, dass die Reihe für Qualität bürgt. Wenn der Südwestrundfunk die „Stars von morgen“ ankündigt, mag das populistisch klingen, doch der Sender hat einfach recht damit. Dennoch blieben beim Klavierabend mit Denys Proshayev im Frankfurter Hof so manche Reihen leer.

Diejenige, die gekommen waren, haben aber nun einiges zu erzählen. Sie können ihren daheim gebliebenen Bekannten von einem jungen russischen Künstler berichten, dem es gelungen ist, sie auf unprätentiöse Art zu fesseln. Sie dürften von einer Persönlichkeit schwärmen, die weniger durch ihr Auftreten als mit einer außergewöhnlichen Musikalität bestechen konnte. Denn so unspektakulär und sperrig das Programm auf den ersten Blick wirkte, so beflügelnd gerieten die Ausdeutungen von Deny Proshayev.

Mit ganz nebensächlich dahingeblinzelten Trillern, die mit akkurater Präzision gesetzt wurden, belebte er die Suite e-Moll von Jean-Philippe Rameau, dem französischen Zeitgenossen von Johann Sebastian Bach. Proshayev atmete durch die Stimmen hindurch und modellierte sachte die Läufe. Mit der Linken tupfte er sanfte Bässe und ließ während dessen mit der Rechten feine Melodien in klarer Brillanz erklingen. Selten ist eine so differenzierte und gleichzeitig wohlausgewogene Interpretation zu hören, die dabei ohne Attitüde auskommt. Ähnliches konnte man bei Bachs Französischen Suite Nr. 2 c-Moll erleben. Besonders auffällig, wie er der Courante eine natürliche Schärfe verlieh und ihre klaren Konturen nachzeichnete.

Wer glaubte, dass die Fähigkeiten Proshayevs vor allem in der strukturellen Zerlegung und sinnlichen Vermittlung barocker Werke bestehen, wurde mit der Sonatine von Maurice Ravel angenehm enttäuscht. Er goss das nervöse Werk mit nachfühlbarer Freude in eine aufregende Einheit. Gerade hier gelang ihm etwas, das einen großen Interpreten auszeichnet und das ihm immerwährende Aufgabe sein sollte: Mit scheinbar wenigen Zutaten eröffnete Denys Proshayev seinen Zuhörern eine faszinierende musikalische Welt und seinen ganz persönlichen Blick darauf. Ausreichend Gelegenheit dafür bot ihm schließlich Sergej Prokofjews Sonate Nr. 8 in B-Dur. Da türmte er mondäne Klangmomente auf, um sie rasch darauf wieder abzutragen und Augenblicke lang in bescheidener Nachdenklichkeit zu verharren. Mit großer Sorgfalt und einem sicheren Sinn für den legitimen Effekt sowie dessen Grenzen hinterließ der 27-jährige Künstler einen bleibenden Eindruck.

Veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz

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