Sonntag, 4. Januar 2009

Heinrich Breloer reist mit seinem Film "Buddenbrooks" auch nach Mainz

Wer 750 Seiten auf 150 Minuten detailgetreu unterbringen will, ist zum Scheitern verurteilt. Heinrich Breloer weiß das. Der mehrfache Grimme-Preisträger hat sich deshalb gar nicht erst darauf eingelassen. Er erzählt die Geschichte einer Bürgersfamilie, wie sie so vielleicht überall hätte geschehen, aber niemals so pointiert wiedergegeben werden können, wie von Thomas Mann. Es ist kein Geheimnis, dass die Buddenbrooks auch die Manns sind. Parallelen finden sich im Patriarchen, in den widerstreitenden Geistern der Brüder oder in der Verbissenheit, Haltung und Ehre zu wahren.

Wenn Heinrich Breloer nun diesen Roman-Erstling des späteren Nobelpreisträgers auf die Leinwand bringt, ist das eine große Verantwortung und, so scheint es, für den Regisseur auch eine Verpflichtung. Er zeichnet seine Figuren mitunter holzschnittartig radikal. Was soll er auch sonst tun, wenn er in kurzer Zeit all die Eigentümlichkeiten der Protagonisten aufzeigen will. Es ist schlichtweg beklemmend, zu beobachten, wie der Konflikt zwischen den Brüdern Thomas (Mark Waschke) und Christian (August Diehl) erst subtil, dann immer offener, zäher und unlöslicher ausgetragen wird, bis er schließlich am Totenbett der Mutter (Iris Berben) endgültig eskaliert.

Alles, was geschieht, scheint einem unaufhaltsamen Lauf zu gehorchen. Während der alte Konsul in Gestalt eines robusten Armin Mueller-Stahl noch die alte Ordnung repräsentiert, machen sich seine Kinder bereits darüber lustig. Breloer zeigt das an Kleinigkeiten auf, die mehr sagen als ausschweifende Debatten. Tochter Tony, die von Jessica Schwarz mit einer gehörigen Portion melancholischer Schwere ausgestattet wird, gelingt der Ausbruch nicht. Zwei Ehen scheitern, die erste war dem Ansehen der Familie geschuldet. Sie bleibt als Letzte im Elternhaus, auch als das zum Verkauf angeboten wird. Die Liebe ihrer Jugend bleibt ihr versagt. Christian verkommt zusehends, verliert sich in seinen „nervösen Krankheiten“, steigt gänzlich aus und zerbricht am Dünkel seiner Familie, die seine Verbindung mit einer Sängerin niemals dulden wird. Thomas hingegen bringt all seine Energie auf, um den Namen Buddenbrook weiter strahlen zu lassen, gelangt gar zu Senatorenwürden. Doch Sohn Hanno (Raban Bieling) macht die Hoffnung auf einen Bewahrer des Erbes zunichte. Ganz Abbild seiner Mutter, zieht es ihn zur Musik und nicht zum Geld. Vater und Sohn sterben kurz hinter einander, so dass die Dynastie schließlich endet. Die konkurrierende Familie Hagenström bestimmt nun das gesellschaftliche Leben.

„Sie alle haben das Wunder ermöglicht, dass dieser Film der Renner der Saison geworden ist“, freut sich Breloer. Und das Publikum freut sich über die Gelegenheit, den berühmten Filmemacher aus direkter Nähe zu erleben. Der erzählt Anekdoten aus der Produktionszeit. Etwa, als er 50 Fliegen-Eier bestellt hatte, die aber nicht rechtzeitig geschlüpft sind und alle los mussten, um Fliegen zu fangen. Wenn er wirtschaftliche Parallelen zwischen damals und heute zieht, erntet er Zustimmung. „Den Satz des alten Konsuls Buddenbrook 'Sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, bei denen Du nachts gut schlafen kannst', würde Angela Merkel wohl heute gerne in jeder Bank hängen“, ist er überzeugt.

„Das war wie ein Blick hinter die Kulissen“, freut sich Armin Sänger, der zum gleichen Jahrgang wie der Regisseur gehört. Er ist lange nicht mehr im Kino gewesen, an seinen letzten Film kann er sich nicht mehr erinnern. „Wir gehen lieber ins Theater, Filme schauen wir uns zu Hause an“, sagt er. Das sei bequemer und er könne den Apparat ausschalte, wenn ihm der Film nicht zusagt. Diesmal musste er nicht früher abbrechen und zeigt sich begeistert von den „gelungenen Bildern“ und der „spannend erzählten Geschichte“.

Auch Maria Wagner kann dem Werk nur gute Seiten abgewinnen. „Ist doch klar, dass er bei einem so dicken Buch einige Seiten weglassen musste“, verteidigt sie Breloer gegen die Kritik ihrer Freundin, die ein wenig enttäuscht zu sein scheint. Beide sind sich aber einig, dass sie in Zukunft wieder öfter ins Kino gehen wollen. „Das ist schon was anderes, als der kleine Fernseher zuhause“, strahlt die Großmutter von zwei jugendlichen Enkeln, die sie nun auch noch für den Film begeistern will.

Tatsächlich haben die Filmemacher ihre Zuschauer tief in ein Lebensgefühl hineingesogen. Dafür sorgen opulente Bilder, die Gernot Roll mit seiner Kamera sinnlich eingefangen hat, die mitunter vielleicht etwas zu glatt ausfallen. Doch insgesamt entwickelt sich eine faszinierende Atmosphäre, der man sich nicht leicht entziehen kann. Gerade dafür ist Kino schließlich gedacht.


Thomas Mann stellte seinen ersten Roman „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“ im Sommer 1900 fertig.

Bereits 1923 brachte Gerhard Lamprecht einen Stummfilm mit dem gleichen Titel heraus, 1959 folgte eine Fassung mit Liselotte Pulver und Hansjörg Felmy

Der Film von Heinrich Breloer ist seit dem Ersten Weihnachtsfeiertag in den deutschen Kinos und wurde mittlerweile von 500.000 Menschen besucht.

Originalmanuskript für die Mainzer Allgemeine Zeitung

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