Freitag, 2. Januar 2009

Am Darmstädter Staatstheater kann Renate Ackermann mit ihrer Inszenierung der Operette „Wiener Blut“ von Johann Strauß nur mäßig überzeugen.

Man könnte meinen, die Inszenierung sei eine hastig zusammengeschusterte Alternative, die durch einen Orchesterstreik notwendig geworden wäre. Auf der Bühne stehen sechs Flügel, der Orchestergraben ist von der Regie okkupiert und mit einer breiten Auf- und Abtrittstreppe zugestellt worden. Neben Studienleiter Joachim Enders, der die Inszenierung musikalisch leiten wird, nehmen die Darmstädter Solorepetitoren Alexander Stessin, Thomas Peuschel und Bernhard Kießing am Großen Schwarzen Platz. Außerdem wurden Hie Jeong Byun, die dem Haus an ganz anderer Stelle verpflichtet ist, und die Reimann-Schülerin Wiltrud Steinhausen verpflichtet. Die Fassung, die aus der turbulenten Operette eine intime Kammeroper machen kann, haben Curt Gold und Herbert Wernicke einst für das Theater Basel eingerichtet.

In Darmstadt jedoch waren weder Nähe noch Ausgelassenheit zu spüren. Die Bühne von Heinz Balthes hatte einen herab gestürzter Kronleuchter zu bieten, der sich im letzten Akt in ein Karussell verwandelte, auf dem das Ensemble seinen walzerdurchdrungenen Wiener Lebenssaft unter Beweis stellen konnte. Für knapp zwei Stunden etwas wenig an Ideen, wie man auch Regisseurin Renate Ackermann zuschreiben muss. Ansonsten ist die Vorlage von Johann Strauß in ihrer amüsanten Verwirrtheit ja ein Selbstläufer. Die absurden Situationen, in die sich das egomanische Personal verstrickt, bietet Stoff zum vergnüglichen Abtauchen und Schmunzeln.

Die eigentlichen Hauptdarsteller sind diesmal die Damen und Herren an den Tasten. Enders gelingt es, seinen Mitspielern den richtigen Dreh zu vermitteln, um die Handlung musikalisch aufzuwerten. Jeder einzelne Pianist leistet einen enormen Beitrag zu munteren Klangwelten, die auch ohne Streicherseligkeit auskommen. Vollgriffe Akkord-Kaskaden und wunderbar sanft interpretiertes Hintergründiges vermischen sich unter den zwölf Händen zu einem überaus gelungenen Arrangement.

Um sie herum tänzelt ein Ensemble, das recht engagiert auftritt, aber etwas an Leidenschaft vermissen lässt. Mitunter bekommt man gar den Eindruck, sie nutzten die komfortable Situation, sich einmal nicht gegen ein Orchester behaupten zu müssen, für einen merklich reduzierten Einsatz. Mark Adler gibt den Lebemann und Gesandten von Reuß-Schleiz-Greiz einigermaßen spitzbübisch, kann aber den Kampf gegen die hohen Töne einmal mehr und auch in der entspannteren Situation nicht für sich entscheiden. Als Premierminister versucht sich Andreas Daum mehr oder minder vergeblich an etwas, das er wohl für Sächsisch hält. Er hätte das nicht nötig, denn stimmlich liefert er eine souveräne Leistung ab. Als doppelt betrogene Ehefrau gefällt Allison Oakes mit brillantem Sopran, ihre Konkurrentin, die Tänzerin Cagliari stellt Susanne Serfling schalkhaft und musikalisch zupackend dar. Die dritte im Bunde, Pepi, die Probiermamsell, gibt Margaret Rose Koenn als ausgelassenes Temperamentbündel. Schließlich gefallen Jeffrey Treganza als listiger Kammerdiener und Heinz Kloss in der Rolle des alten Karussellbesitzers Kagler mit beständigem Witz.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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