Sonntag, 1. Juni 2008

Das Teatro Regio Torino beschert den Internationalen Maifestspielen mit Verdis "Rigoletto" wohltemperierten Genuss für Auge und Ohr.

Das Fest zu Beginn ist eine formvollendete Orgie mit kopulierenden Paaren und onanierenden Jünglingen. Etwas verschämt ist die Szene hinter rauchigem Glas versteckt und damit vor dem allzu voyeuristischen Einblick geschützt. Auf Skandal ist dieses Detail jedoch nicht gemünzt, zur rauschenden Party des Herzogs von Mantua passt das schon gut. Der Herr hat schließlich kaum etwas anbrennen lassen. Regisseur Giancarlo Cobelli ist es gelungen, diesen Moment derart beiläufig einzubinden, dass er stimmig wirkt und kein bisschen provoziert. Ansonsten bekam das Publikum bei den Internationalen Maifestspielen in Wiesbaden einen üppig dekorierten „Rigoletto“ zu sehen, ein Ensemble bestens aufgelegter Sänger machte die Verdi-Oper zum Sängerfest.


Man kann der Inszenierung sicherlich vorwerfen, kaum eigene Ideen, Themen oder besonders originelle Personenführungen untergebracht zu haben. Dennoch kommt sie alles andere als blutleer daher. Auch verharrt sie nicht in einer verstaubt-musealen Aufführungs-Ästhetik, die aus reiner Gedankenlosigkeit entstanden wäre. Im Gegenteil: Auf alt getrimmt wirkt dieses Spiel so frisch wie nur selten ein ambitioniertes Regietheater.


Das liegt vor allem an den Beteiligten auf den Brettern und im Orchestergraben. Dort ist ein vor Kraft strotzender Männerchor zu erleben und ein ausnehmend lebendig und differenziert agierenes Orchester, das unter Leitung von Gianandrea Noseda alle Facetten der atmosphärischen Bandbreite beherrscht. Hinzu kommen eine permanente Interaktion zwischen allen Beteiligten und pointierte Lichteffekte von Luca Ferioli.


Stimmlich führt Roberto Frontali (Rigoletto)das Ensemble wandlungsfähig und stimmgewaltig an. Mit klaren, souverän angesteuerten Spitzentönen erfreut Inva Mula als seine Tochter Gulda. Ansonsten ist sie als sehr kultiviert und warm timbriert zu erleben, dazu kommt immer das genau richtige Maß Sentiment. Riccardo Ferrari versieht den Räuber Sparafucile mit einem knarrig-bissigen Bass, der kurzfristig eingesprungene Salvatore Cordella gibt den Herzog souverän und mit durchaus charmantem Witz.


Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Keine Kommentare: