Freitag, 10. Juli 2009

Buchvorstellung: Kästrich - ein unabhängiges Forum für Kunst

Oft hinterlassen künstlerische Initiativen und Einrichtungen nur mehr Spuren in der Erinnerung derer, die daran Anteil hatten. Gerade auf lokaler Ebene ist die Nachhaltigkeit von gelebter Kunst nur schwer zu schaffen, auch dann, wenn sie internationale Protagonisten gelockt hat. Harald Kubiczak tritt dem nun im Falle des „Kästrich“ entegegen. Über zehn Jahre hat er das 1990 ins Leben gerufene unabhängige Forum für Kunst geleitet und geprägt, mit seinen Ideen und Netzwerker-Fähigkeiten zu einem vitalen Zentrum des künstlerischen Lebens der Landeshauptstadt entwickelt. Nun hat er zudem ein Buch vorgelegt, das diese zehn Jahre mit einem Abstand von erneut einer Dekade betrachtet. In der Publikation „Kästrich – ein unabhängiges Forum für Kunst“, dessen erstes Exemplar er nun Kulturdezernent Peter Krawietz überreichte, dokumentiert er mit etwa 350 Abbildungen und Texten die dort erfolgten Ausstellungen, Installationen, Performances und Konzerte mit über 70 Künstlerinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland.

Gemeinsam mit Daniela Kieß übernahm der Künstler zunächst einen leer stehenden Tabak- und Zeitschriftenladen im Kästrich. Der Zufall hatte seine Finger dabei im Spiel, denn Kubiczak, der in Mainz aufgewachsen ist und studiert hat, parkte eines Tages dort sein Auto. Als der Verkauf ein Jahr später anstand, zog der „Kästrich“ um, ebenfalls in einen Tabakladen in der Breidenbacher Straße. Das erste Domizil brachte einige Überraschungen mit sich, unter anderem zahlreiche Bücher und andere Artikel aus dem früheren Laden, die den Grundstock für die erste Ausstellung liefern sollten.

Krawietz würdigt das Kunstprojekt als „eines der wenigen Foren für zeitgenössische Kunst“ in seiner Zeit. Gerade die freie Kulturszene habe sich in Mainz immer zahlreiche Verdienste erworben. Im „Kästrich“ sei insbesondere die Kunst gezeigt worden, die lange keinen Eingang in öffentlich geförderte Einrichtungen gefunden habe. Durch die Vermittlung eines privaten Sponsors, der ungenannt bleiben möchte, hat er Kubiczak nun die Publikation im eigens dafür gegründeten Verlag „Circuit Art“ ermöglichen können.

Harald Kubiczak hat den „Kästrich“ immer als einen Ort ohne Schranken gesehen, dort, wo auch „ganz normales Publikum“ hinkommen konnte. Dort gab es ein „Nachdenken über Leben, Realität und Kunst sowie das Verhältnis dazu“. Damals ist es gelungen, im Stadtviertel neben den anderen Läden ganz selbstverständlich akzeptiert zu werden. Nachbarn kamen rein, besuchten die neuen Ausstellungen oder Installationen, auch viele Kinder seien immer wieder neugierig herein gekommen. Für Kubiczak war das „viel interessanter als ein Raum, in den sich keiner reintraut“. Viele Impulse kamen von dem niederländischen Künstler Paul Panhuysen, der in Amsterdam das „Apollohuis“ betrieben hat. Aber auch viele andere Künstler fanden sich ein. Von Oktober 1992 bis September 1993 produzierten sie einige von ihnen gemeinsam eine kleine Zeitschrift unter dem Titel „Observation“, in denen sie sich unter einander austauschten.

Das im Taschenbuch veröffentlichte Buch sollte bewusst keinen Katalog-Charakter annehmen, sondern nach Kubiczaks Vorstellungen immer wieder dazu anregen, es zur Hand zu nehmen. Das ist dank der Vielfalt seines Inhalts und der ansprechenden Präsentation der Arbeiten durchaus gelungen.

Das Buch ist zum Preis von 14 Euro über www.circuit-art.org zu beziehen.


Gekürzt veröffentlicht in der Mainzer Allgemeinen Zeitung

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