Samstag, 16. Juni 2007

Schauspiel "Tristan und Isolde" von Martin Oelbermann am Mainzer Staatstheater

„Liebe ist so ungefährlich wie ein Löffel Salzsäure auf nüchternen Magen“ hat Charles Baudelaire einmal geschrieben. Der Satz findet sich auch im Programmheft zu der aktuellen Schauspiel-Produktion des Mainzer Staatstheaters wieder. Treffender hätte sich die Essenz des Stücks wohl kaum zusammenfassen lassen. Denn ihre Gesundheit haben sich alle Protagonisten ruiniert. Sie sind krank aus Liebe, aus Eifersucht oder Sehnsucht. Und deshalb lässt sie Regisseur Martin Oelbermann in seiner Fassung von „Tristan und Isolde“ nach Gottfried von Straßburg auch vorsichtshalber in klinikähnlicher Kleidung herumlaufen, stattet sie mit Erste-Hilfe-Koffern aus und legt sie nacheinander oder gemeinsam ins Krankenhausbett (Bühne und Kostüme: Marc Thurow).

Die Geschichte ist alt und bekannt. Tristan fährt ins feindliche Königreich Irland, um für seinen Onkel und König Marke von Cornwall die schöne Isolde zu werben. Weil er sich dort vorher aber schon unbeliebt gemacht hat, indem er einen adligen Vorzeigekrieger der Iren niedergestreckt hat, gibt er sich erneut als der Spielmann aus, als der er vorher bereits schwer verletzt auf der Insel gestrandet ist.


Zwar entlarven ihn Mutter und Tochter Isolde bald als den Bezwinger des Onkels und Bruders, doch die Königin steht zu ihrem vorher gegeben Wort, Tristan zu beschützen, weil der das Land von einem Drachen befreit hat. Die Tochter muss mit nach Cornwall, um den unbekannten König zu heiraten. Damit sie sich dem Gemahl hingibt, braut die Mutter einen Trank, der ihnen in der Hochzeitsnacht verabreicht werden und sie für immer in Liebe aneinander binden soll. Durch ein Missgeschick trinken aber Tristan und Isolde das Gebräu und müssen nun ihre Liebe auch an der bald geschlossenen Ehe vorbei ausleben.

Liebe wird von Oelbermann als Droge verstanden, als Zwang, der die beiden ungewollt Liebenden nicht voneinander loskommen lässt. Ein zeitweise Trennung bringt regelrechte Entzugserscheinungen mit sich. Friederike Bellstedt, Franziska Hackl, Tatjana Kästel, Tim Breyvogel, Felix Mühlen und Daniel Seniuk schlüpfen in dem episch daherkommenden Projekt in einem rasanten Tempo in die unterschiedlichsten Rollen, wechseln sich dabei permanent ab. Sie sind alle jeweils Erzähler und handelnde Figur in einem. Das verwirrt nur kurz und entpuppt sich rasch als absolut schlüssiges Format.

Die Anforderung an das Ensemble ist extrem hoch, denn die Textdichte ist wohl kaum zu überbieten – alle Beteiligten sind ständig in das Geschehen involviert, übernehmen immer wieder neue Rollen, entwickeln die Charaktere in unterschiedliche Richtungen. Der mittelalterliche Stoff erhält dadurch mühelos packende Aktualität.

Veröffentlicht im Main-Echo (Aschaffenburg) und der Allgemeinen Zeitung (Mainz)

Keine Kommentare: