Montag, 2. April 2007

Charles Gounods Oper "Faust" am Staatstheater Wiesbaden

Mephisto ist nun wirklich keine angenehme Gestalt. Und wer ihn sich mutwillig herbei ruft, muss damit rechnen, dass er das Ruder des eigenen Lebens rasch in seine Dienste stellt. Grauenhaft ist diese Vorstellung und in diesem Grauen ungemein faszinierend. Johann Wolfgang von Goethe erlag dieser Faszination wohl am eindrucksvollsten in der überlieferten Literatur. Sein „Faust“ ist zum Inbegriff des Ringens zwischen den Mächten geworden und zum prominenten Fallbeispiel für den menschlichen Irrtum in seinem eitlen Streben nach Erkenntnis und Gewissheit. Dass auch große Komponisten von diesem Stoff angeregt wurden, ist nur verständlich – so mancher Versuch scheiterte jedoch bereits im Ansatz. Nicht so der „Faust“ von Charles Gounod, dessen Libretto aus Fausts Klassiker und dem Drama „Faust et Marguerite“ von Michel Carré entstanden ist.

In Wiesbaden hatte das Stück nun Premiere und geriet Dank einer nahezu spektakulär pointierten Inszenierung von Jean-Christophe Maillot rasch zum Publikumsliebling. Selten war man sich in diesem Haus derart einig in der spontanen Beurteilung von Regie und musikalisch-darstellerischer Umsetzung. Dabei ist die Deutung des französischen Choreographen, der hier ein sicheres Gespür für die Oper bewiesen hat, alles andere als gefällig oder leicht zu durchdringen.

Im Zentrum stehen die Machenschaften eines Mephisto, der immer mehr nur noch im eigenen Dienst die Zerstörung eines bis dahin unbescholtenen Mädchens vorantreibt. Von Faust gerufen, der sich mit elastischen Schnüren an seinen Stuhl gefesselt sieht, treibt er sein unbarmherziges Unwesen. Und er ist sofort uneingeschränkter Herr der Lage. Schon bevor er überhaupt aufgetaucht ist, hat er in Maillots Version seine Schatten vorausgeschickt. Die haben Faust von Anfang an in der Mangel, treiben ihn förmlich dazu, sein Unglück herbei zu rufen.

Die Szenenfolgen leben von einem plakativen Kontrast aus knallbuntem Bühnenzauber und kontinuierlich voran getriebener Düsternis. Ein Kreuz beherrscht ab dem zweiten Akt die Sicht, es ist aber nie Zeichen der Überlegenheit des Guten. Denn selbst als es strahlend Zuflucht zu gewähren scheint, ist es doch nur trügerischer Schein. Es steht in letzter Konsequenz auf dem Kopf, ist zum Zeichen des Bösen geworden.

Die musikalische Ausgestaltung korrespondiert in exzellenter Weise mit den Vorgaben des Regisseurs sowie seines Bühnenbildners Rolf Sachs. Eine wesentliche Rolle spielen hier auch die effektbetonenden Lichtwechsel von Thomas Märker. Marc Piollet gelingt es außerordentlich gut, sein Orchester mit einem geradezu diabolischen Unterton auszustatten, der keine Kompromisse duldet. Bestens auf die Handlung ausgerichtet, treiben die Musiker aus dem Graben eine Stimmung voran, der sich der Zuhörer nicht zu entziehen vermag.

Überragend die stimmlichen wie spielerischen Leistungen von Christof Fischesser in der Rolle des Mephisto. Der aus Wiesbaden stammende Bass hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der interessantesten Vertreter seines Fachs entwickelt. Auch die Partie der Margarete ist mit Mardi Byers mit einem Gast besetzt. Sie vollzieht glaubhaft die zahlreichen Wandlungen einer zum Spielball gewordenen Unschuldigen. Adrett Sharon Kempton als ihre kleine Verehrerin Siebel, ausgestattet mit glockenheller Stimme. Gestaltungsfreudig ist Alfred Kim als Faust mit nicht nachlassender Präsenz eine konstante Größe in dieser Inszenierung. Die Massenszenen werden von Chor und Extra-Chor gezielt und lebendig umgesetzt.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

Keine Kommentare: