Sonntag, 4. März 2007

Rossinis Oper "La Cenerentola" am Staatstheater Wiesbaden

Dass das ganze Leben eine Bühnenshow ist, damit haben sich schon Generationen von Gelehrten, Philosophen und Entertainern auseinander gesetzt. Auch Alidoro, Ratgeber des Fürsten Don Magnifico kommt irgendwann zu der Erkenntnis: „Die Welt ist ein Theater, wir sind die Komödianten“. Thaddeus Strassberger hat das am Wiesbadener Staatstheater nun ganz wörtlich genommen und Gioacchino Rossinis Opera buffa „La Cenerentola“ abwechslungsreich und voller augenzwinkerndem Schalk als Bühnenwelt auf der Bühne inszeniert. Heraus gekommen ist eine kurzweilige Komödie, die in gewisser Weise tragisch endet, weil doch alle Bemühungen, das ungeliebte Aschenputtel von seinem Glück abzuhalten, dieses geradewegs in die Arme des begehrten Fürsten treiben.

Das gesamte Ensemble ist hier zu einem wahnsinnig hohen Tempo angehalten, Atempausen gibt es kaum. Schon zur Ouvertüre muss es komplett antreten und den „Barbier von Sevilla“ im Schnelldurchlauf exerzieren – die Oper hat Rossini wenige Monate vor seiner „Cenerentola“ uraufgeführt. Und auch als das eigentliche Stück beginnt, steht ein unmittelbares Spiel im Vordergrund. Jede einzelne Bewegung wird für den Zuschauer leicht ersichtlich, die Stränge sind konsequent und nachvollziehbar aufgezogen. Die Handlung findet auf und hinter der Bühne eines maroden Theaterbetriebs statt. Die bösen Schwestern sind provinzielle Diven, das Aschenputtel Angelina arbeitet als Mädchen für alles. Von Anfang an aber hat sie nichts unterwürfiges, sondern zeigt sich von den Schikanen ihrer Stieffamilie eher genervt als gedemütigt.

Eine wichtige Rolle spielt in dieser Inszenierung der Männerchor. Immer wieder tauchen die Herren in den unterschiedlichsten Kostümen auf, gerieren sich als Leibgarde des Fürsten, als dessen Weinkeller-Personal oder werden als Piloten im Autokorso auf der Suche nach der geheimnisvollen Fremden eingesetzt. Beherzt vermengt Strassberger, der auch das Bühnenbild verantwortet, zeitliche Anspielungen, hält sich mitsamt Kostümbildnerin Mattie Ullrich vor allem an seine eigene Fantasie. Das ganze wirkt bunt, aufgedreht aber niemals überdreht. Selbst das Finale in einer grotesken griechisch-römischen Orgie mit mittelalterlichen wie asiatischen Elementen und einer fliegenden Elfe passt da irgendwie hin. Es scheint, als hole die Inszenierung da all jene märchenhaften Momente auf einen Schlag wieder zurück, die der Komponist aus den Vorlagen herausgestrichen oder für seine Bühnenzwecke abgemildert hat.

Das Ensemble trägt all diese Ideen mit sichtbarer Begeisterung. Und auch sängerisch könnte die Umsetzung kaum gelungener sein. Inga Lampert ist von Anfang an eine resolute Angelina, die später zu schwindelerregenden Koloraturen ansetzt, Jud Perry verleiht dem jungen Fürsten tenoralen Glanz und ritterliches Auftreten in allen Lebenslagen. Sein Diener Dandini wird von Radoslaw Wielgus facettenreich angelegt, sein beweglicher Bariton kommt hier zu einem brillanten Dauereinsatz. Axel Wagner ist als knurriger Stiefvater zu erleben, Chrisoph Stephinger erhält für seine auch sanglich fundierten Kommentare als fürstlicher Ratgeber Alidoro warmen Sonderapplaus. In den Rollen der bösen Schwestern fallen Betsy Horne und Simone Brähler mit komödiantischem Talent auf hohem sängerischem Niveau auf. Wolfgang Ott leitet vom Hammerflügel nicht immer ganz fehlerlos ein weiterhin ausgezeichnet aufgestelltes Staatsorchester.

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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