Dienstag, 14. März 2006

"Land des Lächelns" in Wiesbaden

Der Versuch einer bikulturellen Ehe ist gescheitert. Die Erwartungen sind zu unterschiedlich, die Voraussetzungen in der neuen Umgebung für die junge adlige Wienerin zu unannehmbar. Und der Reiz des exotisch Fremden überdauert den Alltag nicht. Lisa liebt Sou-Chong, der gerade zum chinesischen Ministerpräsidenten ernannt wurde. Doch der soll nach den Lehren seines Volkes gleich vier Frauen ehelichen, der Europäerin wird bestenfalls der Status einer Mätresse zuerkannt.

„Euroa und China, das ist wie Feuer und Wasser“, die Alten beider Kulturen haben es gewusst und Recht behalten. Franz Lehárs „Land des Lächelns“ verhandelt diese Gegensätze mit holzschnitthaften Wahrheiten, an deren Allgemeingültigkeit es kein Rütteln gibt. Darum gibt die europäische Prinzessin ja auch bald auf und muss die scheinbar grundsätzliche Unvereinbarkeit ihrer beider Kulturen hinnehmen, nachdem es ihr der asiatische Monarch mit einem kurzen despotischen Ausbruch leicht macht.

Am Wiesbadener Staatstheater hat Iris Gerath-Prein die Operette weitestgehend von diesen Konflikten befreit und die Operette als romantische und bildergewaltige gescheiterte Romanze inszeniert. Keine Rede von einer Debatte der „Wahrheiten“. Zudem bleiben ihre Figuren merkwürdig unbeweglich. Der europäische Adelshof ist eine nur mäßig bizarre Szenerie des kultivierten Müßiggangs, die chinesische Welt wird mit bunter Folklore zitiert, an deren Höhepunkt die farbenprächtige Hochzeits-Zeremonie samt etwas wackelig geratenem Fächertanz (Choreografie: Iris Limbarth) steht.

Eine beeindruckende technische Leistung haben die Theater-Werkstätten unter Anleitung von Bühnenbildner Karel Spanhak abgelegt. Noch im ersten Akt spielt die Handlung komplett auf der überdimensionalen Kopie jenes Kästchens, in dem Sou-Chong sein Gastgeschenk für die Europa-Visite untergebracht hatte. Das öffnet sich im zweiten Akt, teilt sich später zu einer riesigen Decke und schließt sich zu den Schlusstakten wieder. Der Einblick in das Geschenk der exotischen Ferne bleibt Lisa einmalig gewährt.

Annette Luig hat in dieser Rolle immer wieder Schwierigkeiten, sich klanglich gegenüber einem eigentlich sehr ausgewogenen Orchester unter der Leitung von Andreas Schüller durchzusetzen. Lediglich in den brillant ausgesungenen Höhen gelingt ihr das. Etwas linkisch, damit durchaus rollengemäß, gibt sich Erik Biegel als Gustl, der Lisa vergeblich verehrt und ihr zur Flucht in die Heimat verhilft. Eine wunderbar adrette Mi hat Simone Brähler zu bieten. Ihr sanft timbrierter Sopran erweist sich auf erstaunliche Art immer wieder als besonders durchsetzungsfähig. Und auch in der zweiten Premieren-Hauptrolle seiner ersten Wiesbaden Spielzeit hat Alfred Kim (Sou-Chong) die Begeisterung des Publikums auf seiner Seite. Mit anhaltendem Zwischenapplaus wird der kraftvolle Tenor schon früh gefeiert.

Weitere Aufführungen: 16., 20., 28., 30. März, 6., 12., 16., 21. und 23. April

Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse

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