Wieder einmal ist dem Team vom „Künstlerhaus 43“ eine besondere Form des interaktiven Theaters gelungen, in dem Goethe-Texte vom „Faust 1“ mit zeitgenössischen Anleihen verwoben werden. Da erscheint ein schottischer Offizier mit jüdischen Wurzeln, der der britischen Besatzungsmacht angehört, aber bloß „ein wenig aufpassen“ möchte. Bald wird er zum Opfer der bereits jetzt faschistisch umhauchten Festgemeinde, ebenso wie seine Schwester Margarete, die später wie aus dem Nichts erscheint und den Faust für sich gewinnt. Der ersticht mit Mephistos Hilfe den eifersüchtigen Bruder, Margarete wird wegen „Blutschande“ eingelocht. Gemeinsam mit Faust verendet sie in ihrer Kammer, umfangen von hellem Rauch. Augenblicklich wird klar, was damit angedeutet wird. Zuvor aber wird bürgerlich-heiter mit leicht dekandenten Noten gefeiert. Dafür sorgt Sophie Eisenhof, eine Schauspielerin, die sich in eine teuflische Verführerin verwandelt und Fausts Weg in den Untergang bestimmt.
Das Publikum bleibt nicht unbeweglicher Zeuge, sondern nimmt unmittelbar als Gästeschar teil, wird verköstigt und nimmt am Tanz teil, wird von den Akteuren angesprochen und integriert. Möglich ist das nur mit einem ausgesprochen präsenten Ensemble, das weit mehr zu leisten hat, als in einer vorgegebenen Rolle zu bleiben. Gottfried Herbe, langjähriges Mitglied des Wiesbadener Staatstheaters, verleiht dem Faust eine würdevolle Note, gleichsam gelingt es ihm, dessen mehrfache Wandlung plastisch und erlebnisreich zu vermitteln. Ariane Klüpfel ist seine gefährlich sinnliche Verführerin, deren Charme wohl nicht nur er erliegt und die mit grausigem Knurren mögliche Widersacherinnen wegbeißt. Wolfgang Vielsack gibt mit hündischer Untertänigkeit den Fritz Otto Wagner, dessen Stunde gekommen ist, als er Judensterne verteilen darf. Mario Krichbaum beweist Vielseitigkeit, muss nicht nur mit schottischem Akzent sprechen, sondern sich später bellend Gehör verschaffen, weil ihn der Geist, der stets verneint, kurzfristig unschädlich gemacht hat. Thordis Howe schließlich ist eine zerbrechliche Margarete, wie sie im Buche steht.
Weitere Aufführungen: am 25., 26., 27., 28. Juni sowie 4., 10. und 11. Juni, jeweils 19 Uhr
Karten kosten 33, ermäßigt 28 Euro
Tickets unter www.kuenstlerhaus43.de oder bei der Tourist Info Wiesbaden
Veröffentlicht im Wiesbadener Tagblatt
Fotos: Susanne Müller
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