WIESBADEN. „Tristan und Isolde“, so müssen auch eingefleischte Wagnerianer mitunter eingestehen, gehört zu den Opern, in denen die Musik zwar überzeugt, die Handlung jedoch arg spannungsarm bleibt. Es ist die alte Geschichte um die kräuterkundige Isolde, die auf dem Weg zum verhassten Bräutigam versehentlich den Brautwerber verhext und nach einer Phase des unerkannten Turtelns kurz nach seinem Selbstmord den „Liebestod“ wählt. Und diese übersichtliche Handlung will erzählt werden, soll die zahllosen bedeutungsschwangeren, autodidaktisch zusammen getrommelten dichterischen Phrasen Wagners, der wie immer das Libretto selbst geschrieben hat, überleben.
Tatsächlich wäre das, was Richard Wagner für seine Oper zusammen gedichtet hat, Stoff für bestenfalls zwei Stunden – nicht jedoch für mehr als die doppelte Zeit. Das stellt Regisseure in der Regel vor schier unlösbare Aufgaben. Denn was tun, wenn die Protagonisten einen kompletten Akt lang ihre ohnehin bloß durch Zaubertrank entstandene, dafür ewige und untrennbare Liebe ausbreiten und gemeinsame Todesfantasie herauf beschwören?
Auch Dietrich Hilsdorf hat am Wiesbadener Staatstheater keine schlüssigen Lösungen parat. Wie man es hier von ihm gewohnt ist, lässt er das Personal in düsteren Uniformen des 20. Jahrhunderts aufmarschieren und in entsprechenden Kellergewölben agieren. Auch der vermeintliche Salon der bürgerlichen Gesellschaft wirkt recht schäbig und lässt von königlichem Umfeld nichts erahnen. Wie auch, wenn König Marke als invalider Weltkriegs-General im Rollstuhl herein gefahren wird. Hilsdorf lässt seine Sänger in den von Dieter Richter eher luftleer eingerichteten Räumen weitest gehend allein. Außer mehr oder minder wohlgefälligen Theaterposen bleiben den überbeschäftigten Darstellern nichts übrig.
Wer jedoch für Spannung sorgt ist Generalmusikdirektor Marc Piollet mit dem Staatsorchester. Da werden gewaltige Klangmassen mit einer erstaunlichen Souveränität bewegt. Ohne auch nur eine Herausforderung zu scheuen, gestaltet Piollet über die weite Strecke hinweg Musiktheater in Bestform, sorgt dafür, dass die von Hilsdorf bloß gelegten Räume und Wagners teils arg banal hülsenartigen Textblasen nicht der Lächerlichkeit anheim fallen. Doch auch ihm gelingt es nicht immer, die leeren Längen seines Kollegen von Regie und Librettist zu überbrücken.
Die Mammutaufgabe musst auch von den Sängern bewältigt werden. Alfons Eberz, eigentlich die Wiesbadener Allzweckwaffe in Sachen Wagner, kann nicht durchgehend überzeugen, muss sich immer mehr und zu deutlich anstrengen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Turid Karlsen ist als Isolde in gleichem Maße gefordert und reagiert nach und nach mit sängerischer Gewalt, die dem Klang nicht gut tun kann. Dennoch stellen sie ein durchaus schlüssig aufeinander abgestimmtes, im Rahmen der Inszenierung überzeugendes Liebespaar dar. Als sehr aussagekräftig und das auch ständig, kann sich Silvia Hablowetz als Brangäne beweisen. König Marke wird von Bernd Hofmann ähnlich solide dargestellt, wie der Kurwenal von Thomas de Vries und Angus Woods Melot.
Veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse
Dienstag, 24. März 2009
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