Riehm selbst ist davon überzeugt, dass der Text zu seinem Werk „Die Schrecklich-gewaltigen Kinder“ trotz seines Alters „keinen Staub angesetzt hat“, die Botschaft sei: „Nur mit Gewalt sind zwischenmenschliche Beziehungen zu ändern“. Damit schlägt er den Bogen von Hesoid bis zum ehemaligen Präsidenten George Bush in seiner Vorbereitung auf den Irak-Krieg. Eigentlich war das Werk nicht zur szenischen Aufführung gedacht, Riehm sah es als „Film ohne Bilder“ an. Die Anfrage der Mainzer aber habe ihn geradezu begeistert und Jäkel ist gar davon überzeugt, dass die Musik seine Bilder und Vorgänger geradezu provoziere.
Gisbert Jäkel, der für diese Arbeit zum ersten Mal ans Mainzer Staatstheater gekommen ist, zeichnet auch für das Bühnenbild verantwortlich, das von einer raumgreifenden Betonwand geprägt ist, in die zuvor ein riesiges Loch gerissen wurde. Vermutlich durch eine Explosion wird der Einblick in das Familienleben des alten Göttergeschlechts nun möglich. Musikalisch zerlegt Riehm das Geschehen permanent in seine Einzelteile, hinterfragt gekonnt und erstellt musikalische Gegenkonstrukte. Die permamente Spannung zwischen Musik und Handlung wird dadurch innerhalb der kurzen Stunde immer wieder enorm gegenwärtig.
Die Rollen sind klar verteilt, während die überwältigende Sopranistin Ana Durlovski mit vokaler Strahlkraft und der offenkundigen Fähigkeit zur künstlerischen Reibung durch die Handlung führt, ist der Tänzer Rogério Cruz ein flammend entzürnter Kronos, der dem plumpen, zuletzt nur noch armselig dahinvegetierenden Uranos (Wilfried Günther) die lange erhoffte Rache zuteil werden lässt. Clemens Heil und das Ensemble des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz loten die musikalischen Besonderheiten der herausfordernden Partitur in all ihren Tiefen und Furchen aus und belassen ihr damit die Hauptrolle in einem Musikwerk mit eindringlicher szenischer Illustration. Einmal nicht anders herum, was allein den Abend schon bemerkenswert macht.
Veröffentlicht u.a. in der Frankfurter Neuen Presse
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